
Frage: Bisher hast du schon zwei Thriller veröffentlicht. Wo kamen dir die Ideen für diese beiden Geschichten?
Antwort: „Liebes Kind“ wurde durch einige wahre Kriminalfälle inspiriert, zum Beispiel die Fälle Natascha Kampusch und Josef Fritzl. Besonders Nataschas Geschichte hat mich seinerzeit sehr beeindruckt, vor allem aber auch, was – trotz ihres Martyriums – für eine starke, smarte Frau aus ihr geworden ist. In „Marta schläft“ verarbeite ich meine große Liebe zu den Films Noirs. Viele meiner Lieblingsfilme werden dort explizit angesprochen und im Subtext scheint durch das gesamte Buch ganz klar Hitchcocks „Marnie“ durch. Man könnte sagen, „Marta“ ist fast schon eine Hommage.
Frage: Woran arbeitest du aktuell – darfst du uns das überhaupt verraten?
Antwort: Ich tue ja seit ungefähr zehn Jahren nichts anderes als dass ich schreibe. Dementsprechend: genau das. Ich arbeite an einem neuen Roman. „Liebes Kind“ und „Marta schläft“ waren ja bereits zwei völlig unterschiedliche Texte – auch der nächste wird wieder komplett anders (und die Gemüter vermutlich wieder arg spalten).
Frage: „Liebes Kind“ wurde in 15 Spachen übersetzt und sogar schon die Filmrechte verkauft. Hättest du mit diesem Erfolg gerechnet, als du im Entstehungsprozess warst?
Antwort: Es sind sogar über 20 Sprachen! Aber nein, mit so etwas kann man nicht rechnen, das kann man sich nicht mal in seinen wildesten Träumen ausmalen. Anfang Oktober erscheint das Buch in den USA und ich werde von meinem amerikanischen Verlag derzeit sehr eingespannt, um Promo zu machen. Das sind manchmal so Momente, in denen ich immer noch dasitze und mich frage: Geschieht das hier gerade wirklich? Also wirklich wirklich? Der Gewöhnungseffekt will da einfach nicht einsetzen, aber ich glaube, das ist auch gut so. Wenn die Dinge anfangen würden, sich normal anzufühlen, hätte ich wohl die Bodenhaftung verloren. So bin ich jeden Tag dankbar und betrachte die Dinge immer noch ein bisschen wie ein Kind, das mit großen staunenden Augen durch einen Spielzeugladen marschiert – ein schönes Gefühl.
Frage: Wenn „Liebes Kind“ verfilmt wird, hast du einen Wunsch-Cast?
Antwort: Nein, das überlasse ich alles der Produktionsfirma. Für mich wird es – sollte es wirklich zur Verfilmung kommen – einfach nur das Größte sein, meinen Stoff auf einer Leinwand oder einem Bildschirm umgesetzt zu sehen. Ich werde vermutlich heulen wie ein Depp und jede Menge Schnaps brauchen. Aber allein der Gedanke daran ist noch sehr absurd und surreal, also halte ich es wie immer und befasse mich damit erst, wenn es wirklich so weit ist.
Frage: 2014 hast du den Roman „Lisa heißt jetzt Lola und lebt in der Stadt“ herausgebracht. Wie kam es, dass du danach zum Thriller gewechselt hast?
Antwort: Und nicht zu vergessen, mein allererstes Buch „Banalverkehr“, bitte! Im Ernst: Ich habe lange eher verquere Romane geschrieben, die vielleicht auch nicht ganz grundlos erfolglos geblieben sind. Dass ich dann zum Thriller gewechselt habe, hatte mehrere Gründe. Einmal schrieb eine Rezensentin, dass ich doch lieber offensiv Romane mit Axtmördern schreiben sollte oder solche, in denen kleine Jungs Kätzchen ersäufen, aber ich möge meinen Psychohorror doch bitte niemals wieder mit freundlichen Frauenromancovern tarnen. Diese Rezension habe ich nie vergessen, sie hat mich wirklich beeindruckt. Zum Zweiten las ich durch Zufall hintereinander „Gone Girl“ von Gillian Flynn und „Girl on the train“ von Paula Hawkins. Zuvor waren Thriller für mich eher die seichten Krimis gewesen, die meine Mutter im Urlaub in den 90ern immer auf der Strandliege gelesen hat (lahm!) oder irgendwelche Hardcore-Sachen mit viel Blut und Gemetzel (eklig!). Bei „Gone Girl“ und „Girl on the train“ dachte ich dann: Was? So können Thriller heutzutage sein? Eben sehr psychologisch, ohne große Ekeleffekte, von Sprache und Aufbau her anspruchsvoll. So etwas wollte ich auch machen, unbedingt – und damit stand der Entschluss.
Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Antwort: Ich bin ja ursprünglich Fernsehjournalistin und habe schon immer auch die Texte für meine Sendungen verfasst, also hatte ich durchaus Bezug zum Schreiben, genau wie den Traum, irgendwann einmal einen Roman zu schreiben. Allerdings fehlte mir die Zeit dazu, bis ich 2009 mit meinem Sohn im Babyurlaub war. Ich brauchte eine Aufgabe, etwas, das nicht nur mit Windeln wechseln und Bäuerchen machen zu tun hatte. In dieser Zeit entstand mein erster Roman „Banalverkehr“.
Frage: Wenn wir uns deinen Google-Suchverlauf anschauen würden, was würden wir entdecken?
Antwort: Mordmethoden, ungeklärte Verbrechen, menschliche Anatomie, Serienmörderbiografien und Recherchen zur Psychologie. Vermutlich all das, was jede/n Thrillerautor/in beten lässt, dass man nie selbst in ein Verbrechen hineingerät und die Polizei zu Ermittlungszwecken den Computer auswertet.
Frage: Deine Thriller gehen immer sehr auf die Psyche der Opfer beziehungsweise allgemein der Charaktere ein. Wie kreierst du deine Charaktere?
Antwort: Mich interessieren keine „glatten“ Charaktere, sondern normale Menschen, die den ein oder anderen Kratzer an der Psyche haben. Authentizität ist mir enorm wichtig. Dabei riskiere ich lieber, dass der/ die Leser/in den ein oder anderen Charakter unsympathisch findet, aber er soll „echt“ sein und sich selbst in seiner Motivation treu bleiben.
Frage: Was darf während dem Schreibprozess bei dir nicht fehlen?
Antwort: Kaffee und absolute Ruhe.
Frage: Das Schreiben ist mittlerweile dein Vollzeitjob. Aber wie sieht deine Freizeit aus?
Antwort: Arbeit und Freizeit vermischen sich bei mir sehr stark. Schreiben ist zwar inzwischen mein Job, doch es fühlt sich gar nicht so an. Es gibt immer noch nichts, was ich lieber tue auf der Welt. Aber ich bin natürlich auch noch Mama und möchte meinem Sohn gerecht werden. Na ja, und ab und zu bringe ich auch noch den Müll raus oder gehe zum Sport. Nächstes Jahr werde ich vierzig und merke immer mehr, wie wichtig es ist, einen körperlichen Ausgleich zu geistiger Tätigkeit zu schaffen. Das geht für mich prima beim Sport oder bei der Gartenarbeit.
Frage: Was möchtest du unbedingt mal ausprobieren?
Antwort: Ehrlich gesagt: so etwas wie eine Bucket List gibt es bei mir nicht. Die Dinge, die ich machen will, probiere ich einfach und schiebe da nicht groß was auf – wobei es dabei eigentlich nie um irgendwelche kurzen Adrenalinkicks geht. Ich bin Mutter eines halbwüchsigen Sohnes, ich habe täglich genug Adrenalin. Ein großer Traum wäre aber, irgendwann am Meer zu leben, ganz abgeschieden in einem alten Häuschen direkt an der Klippe – typisches Schriftstellerklischee wahrscheinlich.
Frage: Wie gehst du mit negativer Kritik um?
Antwort: Ich differenziere zwischen konstruktiver Kritik, die ich sehr ernst nehme, und reinem Bashing-Quatsch, der nur darauf zielt, mich persönlich zu treffen. Ich musste das auf eine sehr harte Tour im Laufe dieses Jahres lernen, aber inzwischen gelingt es mir ganz gut. Abgesehen davon komme ich mittlerweile auch gut damit klar, dass ich wahrscheinlich immer eine Autorin sein werde, an der sich die Geister scheiden. Aber ist doch cool; viel schlimmer wäre es, Geschichten zu schreiben, die den Leuten egal sind.
Frage: Was würdest du deinem 15-jährigen Ich sagen?
Antwort: Nimm nicht alles persönlich. Wie die Leute mit dir umgehen oder wie sie über dich reden, sagt mehr über sie aus als über dich.
Frage: Ein Roman und zwei Thriller hast du schon geschrieben. Gibt es ein Genre, dass du ebenfalls mal bedienen willst?
Antwort: Zwei Romane! Ach, mal sehen. Momentan bin ich sehr glücklich mit dem, was ich mache, und werde dem Genre mit Sicherheit noch eine ganze Weile treu bleiben.
Kommentar verfassen