Es war einmal ein Kaiser, der mit 10 starken Söhnen gesegnet wurde. Einer war groß wie ein Bär. Der andere stark wie 10 Gorillas. Der Nächste flink wie ein Wiesel. Und so zog es sich durch seine Nachkommen. Jeder prahlte mit seiner besten Eigenschaft und beanspruchte das Land ihres Vaters für sich. Doch nur einer konnte über das heilige Land herrschen, weshalb sie aus ihrer Wut heraus zu Sonnen am Himmel wurden um das ganze Land zu verbrennen. Damit nichts mehr übrig blieb, für die jeweilig anderen Geschwister.
Das Herz des Kaisers war voller Trauer über den Zorn seiner Söhne. Er beauftragte den Jäger die Sonnen vom Himmel zu schießen, bevor sein ganzes Reich untergehe. Der Jäger befolgte den Befehl des Königs und ließ nur eine Sonne am Firmament. Diese sollte von nun an den Tag mit Helligkeit versorgen.
Wahnsinnig wegen des Verlustes verbannte der König seinen treuen Jäger aus seinem Land und nahm ihm somit seine Unsterblichkeit. Jeder, der einen Fuß vor die Mauern setzte wurde sterblich. Aus Liebe folgte ihm seine Frau. Ein Leben ohne ihren Mann war für sie nicht vorstellbar.
Doch die Königin hatte Mitleid mit den beiden. Vor Anbeginn des Tages ihrer Verbannung steckte sie dem Jäger eine kleine Phiole flüssiger Unsterblichkeit zu. Er solle aber den Hinweis beachten, dass lediglich eine halbe Flasche pro Person notwendig war.
Das Jägerehepaar zog los und verließ die Sicherheit des heiligen Landes. Fernab des Schutzes des Kaisers wimmelte es nur vor grausamen Kreaturen. Echsen, so groß wie Elefanten. Mücken, die dich mit einem Stich dein gesamtes Blut kosten. Doch am schlimmsten waren die Eredruls. Bei Nacht waren sie die Schatten, die dich verfolgen. Die dir böse Gedanken einflößen. Nur, um dich erst in den Wahnsinn zu treiben, bevor sie nichts mehr von dir übrig lassen außer deinem Skelett. Wegen all dieser und noch weiteren Schrecken vergaßen sie die Phiole schnell. Was nützte die Unsterblichkeit in einer Welt, in der ewig zu Leben kein Bestreben war.
Der Jäger kannte all die Geschichten. Er wusste, dass bisher keiner aus den fremden Landen zurück gekehrt war. Er wusste, dass sie des Nachts die Ohren verschließen mussten und des Tags möglichst weit die fremden Landen hinter sich lassen mussten. Ob danach etwas kam? Das würde sich bald zeigen. Da kein Entdecker bisher Kundungen über das Dahinter bringen konnte, lag es nun an ihm seine Frau in Sicherheit zu bringen.
Nacht um Nacht setzte er die Wolle tief in seine Ohren um der bösen Zunge des Eredruls zu entgehen. Es war nun schon die siebte in Folge, in der er einen Unterschlupf gefunden hatte und sich erschöpft neben seine Frau legte.
Diese war unruhig. Völlig verängstigt. Überall sah sie die spitzen Finger der Merendis. Im Volksmund heißt es, dass sie dir die Seele mit ihren langen Fingern aus dem Leibe ziehen. Der Jäger glaubte dies wäre lediglich Schabernack um den Kindern das Fürchten zu lehren. Bisher hatte er solch Wesen hier nicht gesehen. So kam es aber, dass in ihrer Angst, die Wolle nicht vollends ihre Ohren verdichteten. Ohne den kommenden Schrecken zu ahnen, legte sie sich nah an ihren Mann, um sich gegenseitig Wärme zu spenden.
„Ssag kleiness Mensschlein, wass treibt dich in mein Reich? Klein wie eine Ameisse. Kann dich zerquetschen. Leicht wie ein Borkenblatt. Kann dich zermalmen.“
Die Frau wand sich im Schlaf.
„Hübsch anzussehen. Lieblich mit sseidenem Haar. Kannsst dich nicht dahinter versstecken. Werde dich finden. Werde dich schmecken, biss nichtss übrig bleibt von deinem Leibe“
Stöhnend rollte sie unbedacht von ihrer Matte.
„Komm, komm zu mir mein kleines Federchen. Komm zu mir in dein Verderben.“
Ein Lachen hallte von den Wänden. So schrill, dass es der Jägersfrau in den Ohren wehtat und sie aus dem Schlaf entließ. Anstelle von Frieden spürte sie nur eine innerliche Hast. Er würde kommen. Er würde ihr die Haut von ihrem sterblichen Körper ziehen. Er würde ihr das Fleisch von den Knochen knabbern. Panisch flog ihr Blick durch den Unterschlupf. Auf der Suche nach einer Waffe. Auf der Suche nach irgendwas, dass sie nicht mehr anfällig für das Monster machen würde. War das ein Funkeln? Ein widerspiegeln der Sterne? Langsam schliech sie auf die Tasche neben ihrem Mann zu. Er schlief. Ein Schlaf der Gerechten. Aber wie konnte er dies? Obwohl er der Grund war, wieso sie außerhalb des Reiches waren. Er war der Grund, weshalb sie nun eine Sterbliche inmitten von Ungeheuren war. Sobald der Eredrul sie in seine Klauen kriegt, wäre dies ihr Untergang. Sie musste zurück zur Mauer. In Sicherheit. Immerhin hatte sie die Söhne des Kaisers nicht getötet. Sie folgte ihrem Mann aus Liebe. Törichte, naive Frau die sie war. Das Glitzern trieb sie weiter zur Höhlenwand. Die Tasche lehnte an dem Gemäuer entgegen des Eingangs. Eine kleine Flasche schaute heraus. Silbrige Flüssigkeit. Die Jägersfrau entsann sich der Worte der Königin. Eine halbe Flasche für neue Unsterblichkeit. In den Augen der Frau glich dies einer Eintrittskarte zurück in das heilige Reich des Kaisers. Sie schraubte die Flasche ab und setzte sie an. Flüssiges Silber rann ihre Kehle entlang und sie spürte ein Leuchten von Innen. Die Hälfte war getrunken. Doch in ihrer Angst hörte die Frau nicht auf und trank den Rest sogleich. Sie setzte das Elixier mit Glück gleich. Und Glück würde sie gegen den Eredrul brauchen auf ihrem Weg nach Hause. Das Leuchten wurde stärker. Es brannte und ein Schrei entwich ihrer Kehle.
Ihr Mann erwachte voller Schrecken. Er griff nach seiner Waffe, in Erwartung eines Feindes wendete er sich dem Höhleneingang zu. Laut hallte der Schrei von den Wänden wieder. Grauen packte ihn und er wand sich um. Wie eine durchscheinende Göttin sah sie aus. Das ehemals dunkle Haar silbrig und schwebend um ihr leuchtendes Haupt. War sie es noch?
Ohne Pause gellte der Schrei weiter. Scheuchte jedes Wesen von der Höhle fort. Er ließ sein Schwert los, während er keuchend auf die Knie fiel. Sie schwebte. Seine Frau hatte den Mund weit aufgerissen. Der Ton erstarb und sie blickte gen Himmel. Der Decke zum Trotz streckte sie die Hand empor und schwebte immer höher. Als ihre Finger das Gestein berührten zerbarst es und entließ sie in die Dunkelheit.
Der Jäger konnte es nicht fassen. Seine Frau. Sein Liebchen. Als weiteres Geröll nach unten fiel griff er sein Schwert und eilte hinaus. Für mehr war nicht Zeit. Sollte es ihm möglich sein, würde er mit seiner Frau zurück kehren und retten, was zu retten war. Vor der Höhle drehte er sich suchend nach ihr um. Lange dauerte diese Suche nicht. Lediglich ein Augenblick und er sah das Strahlen in der Dunkelheit. Ohne einen Blick zurück zu wenden glitt sie hoch. Immer höher. Immer weiter von ihm fort. Am höchsten Punkt des Himmels, verweilte sie. Schaute sich ihre neuen Weggefährten, die Sterne, an. Er spürte, dass sie lächelte. Sie zog ihre Beine an den Körper und kugelte sich ein. Fast friedlich wirkte ihre ehemals stehende Form, die nun zu einer runden wurde. Zu einem Mond, der des Nachts über die Welt wacht. Friedlich schlafend.
Du denkst dies ist ein Märchen?
Verdammt. Das hätte ich an deiner Stelle auch gedacht. Doch das ist es keineswegs.
Ich bin der Jäger. Mein Name ist Lieren. Einst war ich gepriesen unter der Herrschaft des Kaisers. Dass er nun mein Untergang sein würde hätte ich nicht gedacht. Dennoch stehe ich nun hier. Im Schatten großer Bäume auf der Jagd. Bald wird es Tag werden und meine schöne Frau Yu verlässt den Himmel um dem letzten Sohn des Kaisers zu weichen. Es bleibt mir nicht mehr viel Zeit um den Eredrul zu finden, der Yu so viel Angst eingeflößt hat. Ich habe gerade eine Spur im Boden gefunden und komme ihm näher. Ich hätte niemals gedacht, dass der Eredrul aus unseren Märchen feige ist. Doch nur seine schreckliche Stimme und das Weben der Albträume ist seine Macht in dieser Welt. Einmal habe ich ihn bisher gesehen. Groß. Skeletartig und schwarz wie die Nacht einst war. Yu sorgt dafür, dass ich ihn sehen kann. Sie schenkt mir das Licht in der Nacht für meine wichtigste Jagd. Hoffentlich kann ich ihm bald mein Schwert in das Herz jagen. Dort, wo einst tief empfundene Liebe bei mir war brodelt der Hass. Angefeuert vom Anblick des Mondes jede Nacht steigert er sich. Wird immer mehr und erst versiegen, wenn ich den Kopf des Eredruls habe. Vielleicht noch nicht einmal dann.
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